Empowerment am Arbeitsplatz

Mit dem etwas sperrigen Begriff „Empowerment“ wird die Übertragung von Verantwortung bezeichnet – von Vorgesetzten an Mitarbeiter. Mitarbeiter sollen die Möglichkeit haben, ihre Aufgaben weitgehend selbstständig und eigenverantwortlich zu bewältigen. Sie sollen selbstbestimmt arbeiten dürfen.

Empowerment am ArbeitsplatzEmpowerment beruht auf der Erkenntnis, dass Mitarbeiter viele Fähigkeiten nicht im Unternehmen nutzen können, obwohl sie sie gern einbringen würden. Und Studien belegen, dass das „Empowern“ von Mitarbeitern dazu führt, dass Betriebe produktiver sind, Mitarbeiter und Vorgesetzte zufriedener, dass die Fluktuation geringer ist und die Identifizierung mit dem Arbeitgeber höher. Kein Wunder also, dass das Modell zurzeit mächtig in Mode ist. Allerdings ist die Umstellung auf diese Herangehensweise komplizierter als man denkt, wenn bisher andere Arbeitsmodelle praktiziert werden.

Das Gegenmodell

Nehmen wir nur einmal Betriebe, in denen bisher anders gearbeitet wurde. Wenn Mitarbeiter gewohnt sind, auf Anweisung zu arbeiten, dann verlernen sie, Dinge außerhalb der vorgeschriebenen Norm und Vorgaben zu tun. Tun sie es doch, werden sie nicht belobigt, denn sie überschreiten ihre Kompetenzen. Ihr Verhalten wird in der Regel sanktioniert. Und Mitarbeiter lernen schnell, was geht – und was nicht. Sie verhalten sich dann dementsprechend. Es ist der Vorgesetzte, dem kraft Amtes die Aufgabe zukommt, zu entscheiden, oder Lösungen außerhalb des Standards vorzugeben. Es mag Situationen geben, in denen dieses Arbeitsmodell gut funktioniert. Möglicherweise hat diese Entmündigung von Mitarbeitern bei Berufsanfängern kurzzeitig ihre Berechtigung, doch zeitgemäß ist sie heute nicht mehr.

Wo befinden sich Ihre Mitarbeiter heute?

Sie können sehr leicht feststellen, wo sich ihre Verkaufsmitarbeiter auf einer imaginären Skala des „Empowert-seins“ befinden. Beobachten Sie ihr Verhalten bei der Arbeit und legen Sie die folgenden Kriterien zu Grunde. Dabei können Sie Schulnoten von eins bis vier vergeben, wobei die eins mit einem „sehr gut“ und die vier mit einem „ausreichend“ gleichgesetzt werden.

Der Mitarbeiter …

  • ist eigeninitiativ und handelt selbstverantwortlich
  • ist innovativ und sucht nach Lösungen, um seine Ziele zu erreichen
  • ist kreativ und Neuem gegenüber aufgeschlossen
  • ist mit Begeisterung bei der Sache
  • kommuniziert umfassend und aktiv
  • identifiziert sich mit seinem Unternehmen

Entscheiden Sie dann, ob Sie mit dem Ergebnis Ihrer Messung zufrieden sind. Falls nicht: handeln Sie, ohne die Entscheidung lang aufzuschieben.

Einige Voraussetzungen sind nötig

Unternehmen, die ihren Mitarbeitern mehr Befugnisse einräumen möchten, sollten bedenken, dass dafür Bedingungen notwendig sind, die möglicherweise dem bisher Praktizierten entgegenstehen. Zunächst einmal muss die Unternehmenskultur passen und den Ansatz ermöglichen.

Nicht jedem Vorgesetzten ist die Fähigkeit gegeben, Verantwortung an Mitarbeiter zu delegieren und sie ihre Aufgaben selbständig wahrnehmen zu lassen. Diese Haltung setzt nämlich eine Menge Vertrauen des Vorgesetzten voraus. Ebenso wird das Verantwortungsgefühl der Mitarbeiter gefordert, für die entstehenden Konsequenzen ihres Tuns voll einzustehen. Schließlich bedeutet selbstständig und eigenverantwortlich zu arbeiten auch, selbstständig und eigenverantwortlich eventuelle Fehler wieder gerade zu ziehen oder möglicherweise sich mit unerwünschten Konsequenzen auseinanderzusetzen.

Neben der Möglichkeit, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu arbeiten, beinhaltet Empowerment auch die Unterstützung und Ermutigung der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten, dieses „Mehr an Freiheit“ anzunehmen. Seit mittlerweile fast 20 Jahren arbeite ich regelmäßig mit verschiedenen Teams und auch vielen Vertriebsteams zusammen. Dabei habe ich wieder und wieder festgestellt, dass die Verkäufer, die besonders motiviert waren und regelmäßig ihre Ziele erreicht oder übererfüllt haben, auch diejenigen waren, die ihre Kompetenzen bewusst und eigenverantwortlich genutzt haben. Dabei wurden sie manches Mal ein wenig ausgedehnt, jedoch immer im Sinne des Unternehmens. Ich habe nicht ein einziges Mal Vertriebsleiter erlebt, die damit gehadert oder sich übergangen gefühlt haben. Wozu auch, genau das muss eine Vertrauenskultur auch vertragen können. Jeder gute Vertriebsleiter weiß, dass Top-Verkäufer genau wissen, was sie tun. Es heißt nicht umsonst, dass Verantwortung dorthin gehört, wo sie benötigt wird – beim Verkauf also in die Zusammenarbeit mit Kunden.

Empowerment bedeutet nicht, dass keine Regeln mehr existieren oder beachtet werden müssen. Wie in jeder anderen Organisationsform gibt es Regeln und Befugnisse. Doch wenn das eigene Handeln einhergeht mit der Verantwortung für die möglichen Konsequenzen, dann entsteht eine Win-win-win-Situation für alle Beteiligten: den Mitarbeiter, den Vorgesetzten und den Betrieb.

 

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